Die Verbraucherschutzorganisation „Foodwatch“ ist bekannt für ihre spektakulären Aktionen. Ob Wellness-Trinkjoghurt mit zweifelhafter Gesundheitswirkung oder gepanschte Pesto-Pampe: wenn Foodwatch Verbrauchertäuschung wittert, steigen die Aktivisten den Herstellern aufs Dach, starten groß angelegte Internet-Aktionen und überreichen verdutzten Firmenmitarbeitern goldene Windbeutel. Schon oft hat Foodwatch dubiose Produkte enttarnt – und Verbesserungen erreicht.

Recht so! Wer den Verbraucher täuscht, bekommt eins auf den Latz. Endlich! Auf der Pressekonferenz in Berlin, hat die Organisation ihre neuen Gegner bekannt gegeben: Hersteller von wässriger Mayonnaise, luftig aufgeschäumter Margarine – und der Discounter „Netto“. Der nämlich streckt das Hack, beklagt Foodwatch-Experte Oliver Huizinga. Unter der „Netto“-Eigenmarke „Viva Vital“ erhält man des Deutschen liebste Matschepampe, Hackfleisch, vermischt mit pflanzlichem Eiweiß.

Da schrillen die Alarmglocken! Die Journalisten raunen, kritzeln eifrig in ihre Blöcke. Die Lebensmittelskandale der letzten Jahre sind noch in Erinnerung. Tatsächlich haben viele Fleischproduzenten in der Vergangenheit ihr Vertrauen verspielt. Mit routinierter Nase wird der nächste Skandal gewittert. Doch der ist hier einfach nicht zu erkennen. Denn das Produkt heißt nicht etwa „reines Hack“ oder „Hackfleisch gemischt“, nein, die Produktbezeichnung ist sogar so sperrig- präzise, wie sie sich ein Verbraucherschützer nur wünschen kann: „Zubereitung aus Hackfleisch gemischt mit pflanzlichem Eiweiß“. In plakativer Schrift, die sogar ein Vegetarier beim Wegsehen erkennt. Das Produkt soll fettärmer sein und weniger Cholesterin enthalten als reines Hackfleisch. Durch 30% pflanzliche Zutaten. Ein Produkt aus der „Trickkiste der modernen Lebensmitteltechnologie“, warnt dagegen Foodwatch. Doch Freunde pflanzlicher Kost nutzen Weizenprotein schon lange für ihre Veggie-Buletten. Unter dem Namen „Seitan“ wird es im fernen Osten seit Jahrtausenden verwendet. Kein Wunder: Die Konsistenz ähnelt Fleisch, es lässt sich gut würzen und ist auch noch richtig billig in der Herstellung. Vor allem aber ist das Pflanzenfleisch viel ökologischer als Fleisch vom Tier.

Seit Jahrzehnten schon beklagen Umweltschutzorganisationen die desaströsen Auswirkungen der Fleischerzeugung. 10-15 Kilo Soja und Getreide landen in den Futtertrögen, um 1 Kilo Fleisch zu erhalten. Urwälder werden für Anbauflächen gerodet. Der weltweite Fleischverbrauch steigt rasant. In Sachen Umweltbelastung hat die Tierproduktion längst den Verkehrssektor überholt. Der  Klimawandel ist nur zu stoppen, wenn der Fleischverbrauch massiv sinkt, mahnen Wissenschaftler.

Hat der oberste Foodwatchler und Ex-Greenpeace-Chef Thilo Bode das etwa übersehen? Was Netto bietet, ist – wenn auch ungeplant – nicht weniger als ein Schritt in die Richtung, in die uns Wissenschaftler und Umweltschützer seit Jahren drängen: Weg vom übermäßigen Fleischverzehr. Die Rechnung ist einfach: Je weniger Fleisch, desto geringere Umweltbelastung. Die 30% Pflanzenanteil im „Netto“-Hack bedeuten 30% weniger Umweltbelastung durch die Fleischerzeugung. Nicht einmal Arbeitsplätze gehen dabei verloren. Vielleicht beginnt so die Öko-Revolution. Und wenn Netto erst Hack aus 100% Pflanzenprotein einlistet, wird Foodwatch hoffentlich mitfeiern.

Über den Autor

Kilian Dreißig ist freier Jounalist und Video-Autor. Der 27-jährige Wahlberliner lebt seit 10 Jahren vegan und betreibt das Portal Vegpool.de. Darüber hinaus dreht er Filme im Zusammenhang mit dem Veganismus. So entstanden in den letzten Jahre die Dokumentation „Grüße vom Hof Butenland“ und der Film „easy.vegan“. Der steht unter Creative Commons Lizenz und kann im Internet kostenlos angeschaut werden.