Eine Kolumne von Kimberley Mielke

Das moderne Single-Leben ist ein regelrechter Dschungel aus verschiedensten Online-Plattformen: Ob Bumble, Tinder, Candidate, sie alle versprechen den Partner fürs Leben, von Elitepartner ganz zu schweigen. Viele Singles von heute vertrauen in der Zeit der Hektik und vollen Terminplaner vor allem auf Online-Apps, die dem Nutzer potentielle Kandidaten im direkten Umfeld, dem gewünschten Alter und im besten Falle dem richtigen „Beuteschema“ vorschlagen.

Aussehen geht vor Charakter in der Dating-App-Welt

Im Fokus stehen in erster Linie Äußerlichkeiten, denn die inneren Werte lassen sich nicht anhand eines oder mehrerer Bilder erkennen. Beim zur Seite wischen wird daher nicht der sozial Engagierte, der Tierschutzaktivist oder Musikkenner bewertet. Die Hürde des Optischen muss erst genommen werden, bevor man herausfinden kann, ob der Mensch auch charakterlich zu einem passen könnte.

Alles schön und gut, denke ich mir. Ich als berufstätige junge Frau habe mir das Online-Dating ausgesucht, weil ich für mich das Gefühl habe, nicht mehr auf der Stelle treten zu wollen. Aus dem Freundeskreis habe ich schon alles versucht und im beruflichen Umfeld zu suchen, empfinde ich als schwierig, denn wenn es dann nicht funktioniert, geht man den „walk of shame“ jeden Tag durch die Büroflure. Dann bleibt nur Tinder und Co., so dachte ich mir und wische fleißig von links nach rechts.

Die Ansprüche steigen

Doch wie ich schnell feststelle, beginnt erst jetzt die Problematik. Unsere heutige Gesellschaft ist viel anspruchsvoller geworden und obendrein viel kompromissloser. Bei vielen Singles ist es nicht nur wichtig, dass der Partner Humor hat oder im Leben steht, dass er Sport treibt und beim ersten Date nicht zu geizig ist zu zahlen. Heute möchten wir, dass er auch die gleichen Werte vertritt, die gleichen ethischen Prinzipien. Wir wollen jemanden finden, der genau unseren Vorstellungen entspricht. Ein Kratzer in der Optik und schon beginnt das Ghosten. Ob diese Entwicklung unserer Suche nach Liebe förderlich ist, bleibt abzuwarten.

Ich persönlich finde es nicht ausschlaggebend, dass mein Partner sich auch vegan ernährt, auch wenn viele Veganer sich dies wünschen. Lediglich eine offene und tolerante Haltung empfinde ich als wichtig. Er sollte mich so akzeptieren, wie ich bin. Und ich bin deutlich mehr als nur vegan.

Veganismus und Dating: Hop oder Top?

Diese Toleranz gestaltet sich für mein Gefühl als schwierig. Auch wenn Veganismus nicht mehr ganz so „abgehoben“ und speziell in der heutigen Zeit wirkt, ein „Dating-Hit“ ist er dennoch nicht. Sobald es um das erste Treffen und die Wahl des Restaurants geht, taucht die erste Frage auf: Sage ich etwas oder nicht? Suche ich einfach heimlich den Ort aus und hoffe, dass er nichts bemerkt? Oder hat das vorgeschlagene Lokal etwas für mich? Und wenn dann die Frage kommt: „Bist du veggie?“, antwortet man dann mit einem direkten Ja oder einem schüchternen Lacher und dem Kommentar „Nicht ganz, eine Stufe mehr“?

An sich kein großes Hindernis, denn viele Menschen haben Unverträglichkeiten, verzichten für den Sport auf bestimmte Lebensmittel oder mögen vieles auch nicht. Warum also so schüchtern, frage ich mich immer wieder. Mir fällt es tatsächlich nicht leicht, mich zu outen, denn ich hatte schon die ein oder andere negative Erfahrung damit gemacht. Die Standardaussage von Omnis mit „Das könnte ich ja nicht“ kennt man, aber das offensive „in die Öko-Schublade stecken“ empfinde ich als verletzend.

Schublade auf, Mensch rein

Ich lache gerne über mich selbst und sage, ich bin ein Öko. Ich lebe vegan, mache mein Deo selbst, versuche auf Plastik zu verzichten und setze mich privat aktiv gegen die Lebensmittelverschwendung ein. Aber wenn man vom angehimmelten Gegenüber direkt in eine Schublade verdonnert und belächelt wird, fühlt es sich weit weniger heldenhaft an. In einer Situation vor wenigen Monaten hat das gefundene Date sogar ganz enthusiastisch einem Treffen zugestimmt und direkt zugegeben, dass er nur daran interessiert ist, einmal einen „echten Öko“ kennen zu lernen. Er als bekennender Fleischesser wolle sehen, wie es ist, einen an Gleise kettenden und Wale rettenden Öko zu daten. Mir hat dieses Date allerdings nur ein aufgesetztes Lächeln und ein dumpfes Gefühl in der Magengegend beschert. Und ich muss gestehen, in dieser Situation hätte ich ihm gerne eine geklatscht. Was denken die Menschen eigentlich, wer wir sind? Lebendes Grünzeug oder das ewige Klischee: Menschen in Jesus-Schlappen und langen, zotteligen Haaren?

Bin ich das personalisierte schlechte Gewissen?

Bei manchen habe ich eher das Gefühl, für die Person das schlechte Gewissen in menschlicher Gestalt zu sein, eine Art rotes Tuch, das ihnen aufzeigt, was sie in ihrem Leben „falsch“ machen. Aber hat nicht jeder die Chance, aus seinem Leben das zu machen, was er möchte? Mir ist es gleich, ob jemand sich vegan ernährt oder nicht, das ist eine Entscheidung, die man für sich treffen muss. Ich bin vegetarisch der Tiere zur Liebe geworden und letztlich vegan geblieben, weil es mir dadurch gesundheitlich viel besser geht. Mich verbal angreifen zu lassen, dass ich „den Tieren das Essen wegesse“, oder mich als Lebenspartnerin auszuschließen, weil es „zu speziell und zu kompliziert“ ist, empfinde ich als beleidigend.

Vegan oder nicht – Hauptsache glücklich!

Letztlich jedoch begegnet man zwischen all den schwierigen Kandidaten immer wieder Menschen, die einem das Gefühl geben, etwas Besonderes zu sein. Die es löblich finden, wie man lebt, was man tut und wofür man sich engagiert, die einem das Gefühl geben, nicht das Unkraut, sondern der Exot in einem Blumenbeet zu sein und die die Frau in mir sehen. Nun muss nur noch der Richtige um die Ecke kommen. Und wie meine Oma schon sagte: Zu jedem Topf passt ein Deckel, mag er noch so grün sein!