Claudia Grammelspacher, Jahrgang 1971, ist achtfache Weltmeisterin im Kickboxen. Vor dem Kickboxen betrieb sie auch jahrelang andere Kampfsportarten wie Jiu-Jitsu (2. Dan) und Boxen, für das sie sogar eine Trainer C-Lizenz des Deutschen Olympischen Sportbundes besitzt. Sie ernährt sich seit 2001 vegetarisch und seit 2013 vegan. In Freiburg und Emmendingen leitet sie zwei Kampfsportschulen. Auch im weit fortgeschrittenen Sportler-Alter denkt sie immer noch nicht ans Aufhören.

Man kann dich mit acht Weltmeistertiteln (darunter auch ein Profi-Weltmeistertitel) und weit über 100 bestrittenen Kämpfen getrost als Kampfmaschine bezeichnen. Besonders herausragend finde ich, dass du erst mit 33 Jahren mit dem Wettkampfsport begonnen hast und mittlerweile als 45-Jährige immer noch mit den besten Kämpferinnen der Welt mithältst. Wie schaffst du es, neben deiner Arbeit als Kampfsporttrainerin, so ein enormes Pensum zu bewältigen?

Ja, das stimmt, ich habe erst sehr spät angefangen, mich mit anderen zu messen. Begonnen habe ich mit 21 mit der Kampfkunst Jiu Jitsu, diese ist aber wettkampffrei. Mit 33 habe ich dann auch Kickboxen und bald darauf Boxen für mich entdeckt und startete mit 35/36 auch bei Wettkämpfen.
Manchmal ist es schon sehr viel, zwischen Büro und Trainerarbeit und auch Mädchen für alles auch noch selbst zu trainieren. Anfangs war das noch nicht so das Problem, da stand ich selbst noch als Schüler auf der Matte, bald darauf eröffnete ich mit meinem damaligen Partner den Fightclub Freiburg, diesen betrieben wir erst nebenher zur normalen Arbeit. Der Verein ist aber sehr schnell gewachsen, und nun kann man sogar davon leben. Auch eröffneten wir ein paar Jahre später den zweiten Club, den Fightclub Emmendingen.
Ich habe sehr viel Energie und bin sehr ehrgeizig, doch manchmal frage ich mich selbst, wie ich das alles schaffe.

Foto: Claudia Grammelspacher

Wie groß ist in deinen Augen der Faktor Ernährung, dass man in diesem relativ hohen Leistungssportalter konstant herausragende Leistungen abrufen kann?

Die Ernährung spielt da natürlich eine große Rolle, wenn ich mich gesund und vielseitig ernähre, kann ich schneller regenerieren und meinem Körper sehr viel abverlangen.
Seit der Umstellung auf Vegan vor über 3 Jahren konnte ich meine Leistung sogar nochmals steigern. Meine Erholungsphase hat sich enorm verkürzt und ich habe unglaublich viel Energie.

Ist das Vegan-Sein und das vergleichsweise hohe Alter eine zusätzliche Motivation, es allen zu zeigen oder vielleicht eher eine mentale Belastung, weil in einer schwächeren Phase gesagt wird, „hätte sie mal besser Fleisch gegessen“?

Nein, ich fühle mich gar nicht so alt, denke da auch nicht viel darüber nach. Den Ansporn, mein Bestes zu geben habe ich in mir. Klar freue ich mich darüber, den Menschen zu zeigen, was mit dieser Ernährung möglich ist und bringe somit den ein oder anderen zum Nachdenken. Das ist mein größter Erfolg.

Als Trainerin mit u.a. einem Trainerschein des Deutschen Olympischen Sportbundes bist du in der Kampfsportschule „Fightclub Emmendingen“ vielen jungen Menschen ein Vorbild. Wann siehst du in deiner Arbeit mit den Sportlern den Zeitpunkt gekommen, über Ernährung zu sprechen? Wartest du da auf Signale der Sportler oder gibst du von dir aus Empfehlungen?

Ich möchte niemandem meine Ernährungsform aufdrängen, das wäre der falsche Weg. Ich kann nur als gutes Beispiel voran gehen und hoffen, die Leute wachen auf und sehen das. Im Club habe ich auf der Theke sehr viel Infomaterial liegen und auf meiner Haut (Tattoo) und auf meiner Trainings/Wettkampfbekleidung steht VEGAN. So weiß jeder gleich wie ich mich ernähre. Wenn mich Menschen darauf ansprechen, erzähle ich die Vorteile und Gründe meiner Ernährung.
Der ein oder andere Sportler holt sich schon mal Tipps, dann kann ich alle Vorzüge nennen.
Ich freue mich immer sehr, wenn ich Menschen auf diese Art dazu bringe umzudenken und es schaffe, dass sie es mal versuchen, etwas zu ändern.

Wie sind die Reaktionen deiner Schüler oder Kickbox-Kollegen?

Meistens positiv und überrascht. Doch manchmal muss man leider diskutieren und sich rechtfertigen, zum Glück höre ich aber vermehrt interessierte und positiv erstaunte Kommentare. Vor allem junge Leute sind doch offener und neugierig.
Es wird aber leider immer Leute geben, die sagen, dass kann nicht gut sein, diese Menschen kannst Du auch mit der besten Leistung und mit Fakten nicht überzeugen.

Kann man das Eis brechen, wenn man über vegane Boxer wie David Haye, Bryant Jennings, Timothy Bradley, Mike Tyson (erst nach seiner Box-Karriere vegan geworden) oder die zahlreichen veganen UFC Fighter wie z.b. die Diaz-Brüder spricht?

Hier gilt das gleiche wie bei der Frage davor. Viele Menschen fangen an sich Gedanken zu machen, das ist natürlich super, solch bekannte Hochleistungssportler mit im Boot zu haben. Aber wie eben gesagt, es gibt Menschen, da hast du keine Chance. Du kannst zahlreiche Studien, Fakten, gute Gründe und Vorbilder nennen, da ist nicht zu machen. Bei solchen Menschen versuche ich auch ganz schnell das Thema zu wechseln, da kannst du sagen, was du möchtest, es bringt nichts. Leider.

Wie sieht deine Ernährung im Hinblick auf einen bevorstehenden Kampf aus? Isst du vor einem Kampf anders als vor Trainings, wenn ja, wie?

Eigentlich ernähre ich mich durchgehend gesund, auch einfach aus dem Grund, weil es mir schmeckt.
Ich ernähre mich vielseitig, viel Obst und Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse und Vollkornprodukte. Trinke meist Wasser oder Tee.
Vielleicht lasse ich in einer Wettkampfphase die „Naschereien“ eher weg. Ich liebe Schokolade.

Wie ernährst du dich auf Reisen, in Hotels, wenn die Kämpfe im Ausland stattfinden?

Irgendwo finde ich immer etwas, oder habe etwas dabei. Obst, Salate und Gemüse gibt es überall. Ich habe da selten Probleme.

Was ist dein Lieblingsessen?

Ich liebe morgens meinen großen Obstsalat, bei dem ich manchmal denke, wie soll ich diesen Berg voll essen, aber ruck zuck ist er weg.
Dann stehe ich sehr auf Salat und Gemüsegerichte mit Curry.

Ach ja, dann war da noch die Schokolade…

Wie lange möchtest du noch auf diesem hohen Niveau kämpfen? Bald hast du ja mit deinen 45
Jahren George Foreman übertrumpft, der mit 48 Jahren seinen letzten Profikampf bestritt.

Eigentlich wollte ich 2014 schon aufhören, dann habe ich im letzten Jahr doch nochmal die Amateur WM gekämpft und habe meinen größten Erfolg, nämlich 3 WM Titel, mit nach Hause gebracht. Auch nach dieser WM habe ich gesagt, so, das wars. Im Amateurbereich werde ich auch nicht mehr Kämpfen, im Profibereich würde ich das jetzt noch nicht unterschreiben, ab und zu juckt es schon noch.
Ich lasse mich selbst mal überraschen.