Vegane Kinder – von der Schwangerschaft bis zum Familientisch

Die vegane Ernährungsweise hat sich ja in den letzten Jahren zu einem Lifestyle-Trend gemausert, der kaum noch kritisch hinterfragt, sondern eher mit anerkennend hochgezogenen Augenbrauen kommentiert wird. Viele bejubeln das „neue“ Wohlbefinden und eine verbesserte gesundheitliche Konstitution. „Vegan“ steht für eine junge, politische und tierfreundliche Generation, die mit ihrer Haltung ein Zeichen gegen die Ressourcen-Verschwendung und Billig-Mentalität unserer Zeit setzt. Doch wehe, es kommen plötzlich Kinder mit ins Spiel. Da schwindet der Szene-Hype ganz schnell einem betreten Schweigen oder sogar lautstarker Empörung. „Werden die Kinder denn auch vegan ernährt?“ fragen Freunde und Freundinnen besorgt und geschockte Großeltern empören sich „das könne man doch nicht machen!“ und „Wie soll das Kind denn ohne Milch und Fleisch groß und stark werden!?“. Angefeuert wird diese Annahme des Mangels in einer veganen Familienernährung von den Mainstream-Medien, die „So gefährlich ist vegane Ernährung für Kinder“1 oder „Ärzte sind sich einig: Vegane Ernährung ist für Kinder ungeeignet“2 titeln. Dabei sind sich führende Ernährungsorganisationen in Ländern wie den USA, Kanada und Australien einig:

„Eine vegetarische und vegane Ernährung sei [dabei] für alle Lebenszyklen geeignet, einschließlich Schwangerschaft, Stillzeit, Kleinkindalter, Kindheit, Jugendalter und höherem Lebensalter.“3

Für Eltern, die ihre Kinder vegan aufwachsen lassen wollen bedeutet dieser Zwiespalt, zwischen eigener Überzeugung einerseits und dem Gegenwind von Familie, Medien und teilweise auch ÄrztInnen andererseits, eine tiefe Verunsicherung. Schließlich geht es ja um das Wohl des Kindes – und da wollen wir alle nur das Beste!

Wie geht vegane Kinderernährung richtig?

Die Frage lautet also nicht, ob eine vegane Ernährung für Kinder funktioniert, sondern WIE! Da gibt es, wie bei jeder Ernährungsform, einige Punkte zu beachten und so sollten sich werdende Eltern am Besten schon vor einer geplanten veganen Schwangerschaft ausgiebig informieren und eventuell eine qualifizierte Ernährungsberatung in Anspruch nehmen.

 

Vegane Ernärhung: Vitamin B12

Die sog. „kritischen Nährstoffe“ für vegane Kinder sind in der Schwangerschaft, Stillzeit und im Säuglings- und Kleinkindalter ähnlich. Dazu gehören Eisen, Jod, Kalzium, Vitamin B2, Vitamin B12 und Zink sowie die Omega3-Fettsäuren. Außerdem sollte bei Kindern auf eine erhöhte Proteinzufuhr und eine hohe Energiedichte der Lebensmittel geachtet werden. Mit einigen Nährstoffen sind VeganerInnen im Übrigen auch überdurchschnittlich gut versorgt im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung. Dazu gehören das in der Schwangerschaft extrem wichtige Folat sowie auch Magnesium. Mehr Hintergrundinformationen und Rezepte für eine gut geplante vegane Ernährung in Schwangerschaft, Stillzeit und im Beikost-Alter können auf meinem Blog gelesen werden!

Wichtige Punkte der veganen Familienernährung „kurz&knackig“

• Reichlich Obst & (grünes Blatt-) Gemüse essen
• Getreide und Pseudogetreide in Vollkorn-Qualität konsumieren
• Täglich eine Portion Hülsenfrüchte zu sich nehmen
• Nüsse, Samen & Kerne in den Speiseplan integrieren
• Wirkungsvolles Supplement für Vitamin B12 einnehmen (ab Beikostalter)
• Ausreichende Vitamin D-Zufuhr durch Sonnenexposition oder Supplement (Wintermonate und 1. Lebensjahr)
• Jodquelle durch Algen sicherstellen
• (DHA-angereichertes) Omega3-Öl (z.B. Lein, Hanf, Walnuss) bedenken

Vegane Ernährung: Optimale Proteinversorgung durch Kombination

Die optimale Nährstoffversorgung – gewusst wie!

Neben den allgemeinen Zutaten einer veganen Familienküche, die sich an den obigen Stichpunkten orientiert und stets frisch und abwechslungsreich zusammengestellt wird, gibt es ein paar zusätzliche Tipps & Tricks für die Eltern zur Optimierung ihrer Nährstoffversorgung.

• Die Qualität der Proteinversorgung kann mit cleveren Lebensmittelkombinationen, wie zum Beispiel Getreide zusammen mit Hülsenfrüchten, erhöht werden. Dabei ergänzen sich die Aminosäureprofile der beiden Lebensmittelgruppen so optimal, dass die Eiweiße dem Körper in einer signifikant höheren „biologischen Wertigkeit“ zur Verfügung stehen. Unser Körper kann sie dadurch besser nutzen und mehr „Baumaterial“ für neue Zellen gewinnen.

• Das Einweichen, Keimen oder Garen von Getreide macht durch den Abbau von sekundären Pflanzenstoffen wie Phytinsäure die geschützten Nährstoffe im Inneren des Korns verfügbar. Der Vitamingehalt in gekeimtem Getreide und Sprossen läßt sich so teils um ein Vielfaches erhöhen und erleichtert dadurch die Versorgung mit wichtigen Nährstoffen.

• Um ein Maximum an Inhalt aus der Nahrung zu ziehen und dabei möglichst wenig Schadstoffe aufzunehmen sollte die Vollkornvariante eines Lebensmittels bevorzugt werden und wo möglich in Bioqualität eingekauft werden.

• Für die fettlöslichen Vitamine und eine gelungene Versorgung mit Omega3-Fettsäuren sollte den Mahlzeiten inklusive der Beikost stets etwas mit DHA aus Mikroalgen angereichertes Leinöl oder im Wechsel auch Rapsöl beigefügt werden.

• Wie in jeder Ernährungsform sollte ein hoher Anteil von vitaler Frischkost verzehrt werden und Gemüse nur schonend gegart werden. Das gilt insbesondere für die Beikost- und Kleinkindermahlzeiten, da wertvolle Vitamine sonst mit dem Kochwasser im Ausguss landen oder von zu hohen Temperaturen zerstört werden.

 

Gut versorgt: Vegane Ernährung für Schwangere & Stillende

Welche Besonderheiten gilt es in den einzelnen Lebensphasen der Kinder zu beachten?

Die Schwangerschaft

Die vegane Familienernährung unterliegt immer den gleichen oben genannten Prinzipien. Die größten Unterschiede liegen vermutlich im Kopf der Eltern: während der Schwangerschaft befindet sich das Kind ja noch im Bauch der Mutter und wird logischerweise über deren Körper mitversorgt. Hauptfokus liegt hierbei also auf der bewußten und ausgewogenen Ernährung der schwangeren Frau. Gleichzeitig ist da natürlich die Ungewissheit gegenüber dem ungeborenen Leben, denn in den Bauch kann man ja nicht hineinschauen. Persönlich finde ich es da einen ganz hilfreichen Gedanken innerlich Kontakt mit dem Baby aufzunehmen und sich immer wieder bewußt zu machen, dass alle Nahrung und damit alle enthaltenen Nährstoffe ursprünglich, am Anfang der Nahrungskette, aus Mutter Erde kommen und damit pflanzlich sind (Mikroorganismen ausgenommen). Selbstverständlich kann ich also mich und mein Kind damit hervorragend versorgen.

Die Stillzeit

In der Stillzeit liegt die Besonderheit darin, dass viele Mütter sich denken: „Ach, jetzt ist das Baby ja da, dann kann ich auf Diät gehen.“ Doch weit gefehlt: der Nährstoffbedarf steigt in der Stillzeit noch an! Schließlich will ja ein wachsender Organismus weiter mitversorgt werden. Die Mutter sollte also mindestens so bewußt und nährstoffreich wie schon in der Schwangerschaft essen um sich und ihr Kind weiterhin optimal zu versorgen. Überschüssige Kilos fallen dann mit der Zeit oft von alleine. Bei zu schnellem Gewichtsverlust können die in den Fettdepots der Mutter eingelagerten Gifte über die Muttermilch ausgeschwemmt werden. Da ist Vorsicht geboten. Muttermilch an sich ist in ihrer Zusammensetzung ein wahres Wunder. Neben all den Nährstoffen enthält sie wichtige Hormone und Abwehrstoffe. Die Makronährstoffe (Proteine, Kohlenhydrate, Fette) gelangen dabei fast unabhängig von der mütterlichen Ernährung über die Milch zum Säugling. Bei den Spurenelementen Jod und Eisen, bei Vitamin A/ß-Karotin, den B-Vitaminen einschließlich Vitamin B12 und Folat (B9), bei Vitamin C sowie aber auch bei den Omega3-Fettsäuren hängt jedoch die Versorgung des Kindes unmittelbar mit der Ernährung der Mutter zusammen. Ein Vorteil der veganen Muttermilch ist im Übrigen auch das bestimmte Stoffe nicht enthalten sind, wie z.B. bestimmte Allergene wie Kuhmilchprotein und Schadstoffe aus Fleisch und Fisch. Letzterer ist oft mit Schwermetallen belastet.

Die Beikost

Mit der Beikostphase beginnt eine neue Ära. Das Kind fängt an selbst zu essen. Damit kommen bei vielen Eltern noch einmal Unsicherheiten in Bezug auf die Nährstoffversorgung auf, die dann nicht mehr ausschließlich über die Muttermilch oder eine spezielle Säuglingsnahrung gesichert ist. Oft geht es dabei um das Thema Eisen oder Vitamin B12. Das Baby kommt mit einer Eisenreserve auf die Welt, die für die ersten 6-9 Monate reicht. Um einen Eisenmangel muß man sich aber so lange weitergestillt wird keine Sorgen machen, da die Muttermilch das Eiweiß Lactoferrin enthält, welches das Eisen an sich bindet und für das Baby bis zu 75% verwertbar macht. Das hat die Natur schon clever eingerichtet. Vitamin B12 sollte spätestens zur Beikosteinführung, also wenn die ausschließliche Versorgung mit dem Vitamin über eine supplementierende Mutter nicht mehr gewährleistet ist, separat gegeben werden.

Egal ob die erste Beikost nun in Form von Brei oder Fingerfood angeboten wird: Ein geeigneter Start in die Welt der Lebensmittel sind erstmal Obst und Gemüse. Für die fettlöslichen Vitamine (A, D, E, K) sollte ein halber Teelöffel Öl/Nussmus zur Speise gegeben werden. Mit der Zeit weitet sich das Angebot für das Baby auf Trockenfrüchte und ab dem 9. Monat auch auf glutenfreies Getreide aus. Ist das Kind an drei mehr oder weniger große (Brei-)Mahlzeiten gewöhnt, dann ist es bereits mit jeder Menge Nahrungsmitteln vertraut. Ebenso viel haben die Eltern an Erfahrung und Selbstsicherheit dazu gewonnen. Spielend können nun weitere Lebensmittel wie Hülsenfrüchte, Saaten und Kerne mit in den Speiseplan integriert werden. Wenn der Wunsch besteht kann das Kind auch schon vom Familientisch mitessen, insofern seine Portion ungesalzen bleibt.

Der Familientisch

Je mehr das Kind isst und je mehr es vor allem auch gemeinsame Mahlzeiten mit anderen Familienmitgliedern einnimmt, desto unkomplizierter funktioniert in der Regel eine ausgewogene vegane Kinderernährung. In dieser Phase des Ausprobierens und Kennenlernens der Nahrung durch das Kind ist von Elternseite noch einmal viel Geduld und manchmal auch Kreativität gefragt. Das Kind lernt ja gerade erst zu essen und hat nicht gleich eine riesige Lebensmittelpalette zur Auswahl. Vielleicht mag es nicht alle angebotenen Speisen auf Anhieb oder wenn ja, dann nur in einer bestimmten Art und Weise. Kinder können da sehr wählerisch sein. Insofern ist das begleitende Stillen über das erste Lebensjahr hinaus insbesondere für vegane Kinder von Vorteil und kann eventuelle Nährstoffdefizite aus der Beikostphase ausgleichen. Zum ersten Geburtstag sitzt das Kind dann meist schon mit am Familientisch und lernt spielerisch von seinen Eltern und anderen Familienmitgliedern weitere Lebensmittel und Speisen kennen. So erschließt es sich Schritt für Schritt seine kulinarische Welt. Als Eltern kann man sich die Neugierde der Kleinen auf neue Lebensmittel übrigens ruhig abgucken und in diesem Atemzug selbst noch einmal über den eigenen Tellerrand schauen und für sich und die ganze Familie neue Ideen und Rezepte ausprobieren. Das gilt insbesondere, wenn die Qualität der Mahlzeiten bislang eher weniger im Fokus stand. Essen sollte doch eine Freude und ein Fest der Sinne sein. Mit ein wenig Planung und der Beachtung der aufgeführten Ernährungsrichtlinien ist eine vegane Kinderernährung auf jeden Fall mit Vergnügen machbar, ausgewogen und lecker!

Mehr über vegane Kinderernährung gibt es auf meiner Webseite www.happy-vegan-mom.de

Zur Vertiefung der Thematik findet vom 1.-8. Mai 2018 die digitale Konferenz „Vegane Kinder – von der Schwangerschaft bis zum Familientisch“  mit vielen namhaften ExpertInnen statt. Die Anmeldung ist kostenfrei!

Wir sehen uns dort – Ich freu‘ mich drauf!

Eure Rosa von happy vegan mom

Vegane Kinder Ernährung

Die Autorin:
Rosa Katharina Mossiah ist ganzheitliche Ernährungsberaterin und bloggt auf happy vegan mom (link webseite) zu veganer Kinderernährung und alternativen Lifestyle-Themen. Rosa Katharina ist verheiratet und hat drei Kinder. Sie lebt seit über 10 Jahren vegan.

1: https://www.welt.de/gesundheit/article150851106/So-gefaehrlich-ist-vegane-Ernaehrung-fuer-Kinder.html

2: https://www.focus.de/gesundheit/ernaehrung/vegetarisch_vegan/aerzte-sind-sich-einig-vegane-ernaehrung-ist-fuer-kinder-ungeeignet_id_6561572.html

3: https://www.eatrightpro.org/practice/position-and-practice-papers/position-papers/vegetarian-diets