Bei Deutschland is(s)t vegan bekommt ihr bekanntermaßen jede Menge nützlicher Tipps zu allen Themen des täglichen veganen Lebens. Von Locations, in denen ihr unbesorgt veganes Essen genießen könnt, über vegane Kosmetik und Mode bis hin zum Thema Gesundheit ist in unserer bunten Mischung alles enthalten. Vegan leben und genießen, das wollen wir euch hier tagtäglich zeigen, ist unkompliziert und erfüllend.

Doch auch wenn die Produktauswahl für Vegetarier und Veganer in unserer Gesellschaft glücklicherweise immer vielfältiger wird, ist Veganismus für die meisten nicht nur ein (neuer) Lifestyle, dem sie sich anschließen, sondern beinhaltet auch eine starke ethische Komponente. Massentierhaltung, Tierschutz, Tierrechte und Umweltschutz stehen bei solchen Überlegungen ganz klar im Vordergrund, und wie ein Blick auf die deutsche Medienlandschaft zeigt, haben diese Themen bereits seit einiger Zeit die Mitte der Gesellschaft erreicht. Auch die Zeitschrift Aus Politik und Zeitgeschichte, kurz APuZ, die als Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament gereicht wird, nimmt sich in ihrer aktuellen Ausgabe mit insgesamt acht umfangreichen Artikeln der Beziehung zwischen Mensch und Tier an.

Wer möchte, kann sich die vollständige Ausgabe der APuZ kostenlos auf der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) als PDF herunterladen. Natürlich freuen wir uns auch über konstruktive Diskussionen zu den einzelnen Artikeln in den Kommentaren.

Interdisziplinärer Ansatz: Für jeden ist etwas dabei

Da die Mensch-Tier-Beziehungen ein so umfangreicher Themenkomplex sind, folgt die ApuZ-Ausgabe einem sog. interdisziplinären Ansatz. Das bedeutet, dass Wissenschaftler und Journalisten aus verschiedenen Bereichen und mit ganz verschiedenen Standpunkten gleichermaßen zu Wort kommen. Wer also insgesamt ein Manifest pro Veganismus erwartet, ist hier dementsprechend fehl am Platz. Vielmehr geht es um Hintergrundinformationen und Perspektiven des Zusammenlebens zwischen Mensch und Tier, auch im Hinblick auf dessen Relevanz für die Wissenschaftswelt.

So stellen Sonja Buschka, Julia Gutjahr und Marcel Sebastian in ihrem Aufsatz das soziologische Forschungsfeld der Human-Animal-Studies vor, das im angelsächsischen Raum bereits seit längerem etabliert ist, in Deutschland aber auch langsam an Fahrt gewinnt. Die Autoren erklären nicht nur ausführlich verschiedene Forschungsschwerpunkte, sondern erstellen auch einen umfangreichen Überblick über deren jeweilige Grundlagenliteratur. Der Aufsatz des Historikers Peter Dinzelbacher beleuchtet Mensch und Tier in der europäischen Geschichte und illustriert das stete Bestreben des Menschen, Tiere für seine Bedürfnisse mal mehr, mal weniger grausam, nutzbar zu machen. Erst im 19. Jahrhundert finden sich erste Ansätze von Tierschutz- und Tierrechtsbewegungen, denen sich der Artikel von Mieke Roscher widmet. Roscher zeichnet die historische Entwicklung dieser Bewegungen nach, wirft ein Auge auf die bekanntesten, und wie sie schreibt, „radikalisierten“ Suborganisationen und erläutert den Unterschied zwischen Tierschützern und Tierrechtlern, die sie von einer weiteren Gruppe, den Tierbefreiern, abgrenzt. Tiefere und umfassedere Einsicht in die wohl bekannteste Tierrechtsorganisation, PETA, liefert der sich direkt anschließende Artikel von Kathrin Voss. Mit einem kritischen medien- und politikwissenschaftlichen Ansatz beschäftigt sich Kathrin Voss insbesondere mit der immer wieder kontrovers diskutierten Kampagnen- und Öffentlichkeitsarbeit von PETA und stellt fest, dass deren konfrontative Strategien seit den 1980er Jahren durch lifestyleorientierte Kampagnen (z.B. mit Prominenten) und Themen (siehe z.B. die aktuelle und nicht ganz unumstrittene „Boyfriend Went Vegan“-Kampagne) ergänzt wurden, was den eigentlichen Fokus, nämlich die Tierrechte, mehr und mehr ins Abseits dränge.

Dürfen wir Tiere für unsere Zwecke nutzen?

Mit dem Aufsatz von Wolf-Michael Catenhusen, seines Zeichens Mitglied des Deutschen Ethikrates, betreten wir schließlich die ethisch-moralische Dimension der Mensch-Tier-Beziehung, der sich die restlichen vier Artikel der APuZ-Ausgabe widmen. Catenhusen führt den Leser ein in die Welt der Forschung an Mensch-Tier Mischwesen, womit z.B. transgene Tiere, also solche mit teilweise menschlichem Erbgut oder auch sog. zytoplasmatische Hybride (tierliche Zelle mit menschlichem Zellkern) gemeint sind. Neben dem vermeintlichen medizinischen Nutzen solcher künstlicher Kreationen bezieht Catenhusen stellvertretend für den Deutschen Ethikrat Stellung zu dieser Thematik und versucht Antworten auf die Frage zu finden, ob Laborschöpfungen wie diese mit unserem Selbstverständnis von der Artgrenze zwischen Mensch und Tier vereinbar sind oder sein können.

Doch sind Mensch und Tier so unterschiedlich? Wie sind Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu bewerten und was folgt daraus für das Zusammenleben von Mensch und Tier? Wieso behandelt der Mensch die eine Tiergruppe (Blindenhunde, Therapiepferde, Hauskatzen) als Kumpanen und die andere als Ware? Wie kann oder soll sich das Kulturwesen Mensch in Zukunft im Hinblick auf die Mensch-Tier-Beziehung verhalten (siehe den Beitrag der Verhaltensforscherin Carola Otterstedt)? Können Kulturwissenschaft, Moraltheologie und -philosophie Antworten auf diese Fragen liefern? Können Tiere niemals Subjekt, sondern nur Objekt menschlicher Moral sein, wie Thilo Spahl in seinem Artikel „Das Bein in meiner Küche“ (gemeint ist ein Räucherschinken vom Schwein) behauptet? Ist die „Vermenschlichung“ des Tieres unangebracht, weil sie automatisch dazu führt, dass durch das Eintreten für Tierrechte die Würde des Menschen antastbar wird, da man sie mit der des Tieres gleichsetzt? Oder ist so eine Art der Argumentation speziezistisch, unfair und zu kurzsichtig? Dürfen wir Tiere für unsere Zwecke nutzen, fragt deshalb die vegan lebende Journalistin Hilal Sezgin in ihrem gleichnamigen Beitrag. Oder dürfen wir es eben gerade nicht, weil sie, wie wir Menschen, dazu fähig sind Schmerzen, Stress, aber auch Zuneigung und Freude zu empfinden?

Die APuZ liefert keine vorgefertigten Antworten auf diese Fragen, wohl aber Perspektiven und allerhand Informationen, um sich dazu seine eigene Meinung zu bilden. Eines steht jedoch fest: für einen respektlosen und quälerischen Umgang mit Tieren spricht sich keiner der Artikel aus. Zum Glück.