Es gibt eine ganze Reihe von Vorurteilen, was eine vegane Ernährung oder Lebensweise angeht: Zu ungesund, zu einseitig, zu extrem oder zu kompliziert. Nicht zuletzt glauben auch eine Menge Menschen, eine vegane Ernährung sei ganz schön teuer. Als in Berlin vor 4 Jahren der erste vegane Supermarkt eröffnete, schickte ein Berliner Boulevardblatt gleich mal einen Reporter dahin zum Einkaufen, und dieser präsentierte anschließend in seinem Artikel seine Beute, u.a. glutenfreie Tiefkühlpizza, Hanfdrink, Nougat-Torte und alkoholfreien Wein. Sein Fazit: Vegan einkaufen ist ein echter Luxus, „bewusst ist nicht billig“. Dass er ganz gezielt solche Produkte herausgepickt hat, die tatsächlich verhältnismäßig teuer sind, ist natürlich nicht ganz fair. Noch fragwürdiger aber ist der offenbar bei ihm vorhandene Eindruck, Veganer ernährten sich hauptsächlich von solchen Produkten.

Man zahlt nicht für das Label „Vegan“

Keine Frage, wer durch die Regal eines veganen Supermarktes streift, findet jede Menge nicht ganz günstige Produkte. Vieles ist vor allem deswegen so teuer, weil es häufig bio, fair hergestellt, rohköstlich oder gar handgemacht ist, von kleinen Unternehmen in kleinen Mengen hergestellt. Das alles lässt ein Produkt deutlich teuerer werden, als wenn es in riesigen Mengen mit billigen Rohstoffen und ohne Rücksicht auf Mensch, Tier und Umwelt massengefertigt wird. Man zahlt also nicht für das Label „vegan“ einen Aufpreis, sondern für jene anderen Faktoren – und das nicht ohne Grund.

Braucht man Superfoods?

Wer vegane Kochbücher und Rezepteblogs liest, wird auch ganz sicher und immer häufiger auf solche teueren Zutaten wie weißes Mandelmus, Matcha-Tee, Gojibeeren oder Maca-Pulver stoßen. Vor allem die sogenannten „Superfoods“ sind ziemlich teuer, und die kann sich einfach nicht jeder leisten, keine Frage. Kein Wunder, wenn manch ein Neueinsteiger in die vegane Welt den Eindruck bekommt, man müsste erstmal den Vorratsschrank mit wahnsinnig teueren Produkten füllen, bevor man loslegen kann. Aber stimmt das auch wirklich?

Die Antwort ist relativ simpel: Man kann solche Produkte kaufen, wenn man es sich leisten kann und möchte – für eine ausgewogene gesunde vegane Ernährung braucht man sie aber nicht. Wir finden in jedem Supermarkt eine unglaubliche Vielfalt an rein pflanzlichen Lebensmitteln, die uns alle Nährstoffe liefern, die wir tatsächlich benötigen. Die wichtigste Regel ist daher für mich: Setze auf günstige Grundnahrungsmittel statt auf teuere Convinience Produkte (Fertigprodukte) und Ersatzprodukte („Fake-Fleisch etc.)! Lebensmittel wie Reis, Kartoffeln, Nudeln, Hülsenfrüchte, Brot und auch frisches Gemüse und Obst sollten nicht nur sowieso die Grundlage einer gesunden Ernährung bilden, sondern sind dazu auch noch sehr günstig. Wer sich hingegen in erster Linie von Ersatzprodukten wie veganen Hähnchenschlegeln oder veganen Shrimps, oder auch veganen Fertigprodukten ernährt, läuft gleich doppelt Gefahr: Einmal in Hinblick auf seine Gesundheit und andererseits in Hinblick auf seinen Kontostand, denn solche Produkte sind ganz schön teuer.

Nicht nachbauen, sondern selber machen!

Dass vegane Ersatzprodukte so beliebt sind, ist aber kein Wunder und durchaus verständlich. Steigt man auf eine vegane Ernährung um, helfen solche Produkte, den Speiseplan zu veganisieren, indem man 1:1 tierisches gegen pflanzliches austauscht. Das macht den Umstieg durchaus einfacher, aber die vegane Küche kann viel mehr. Meine zweite Empfehlung ist daher, sich vom Nachbauen der klassischen Fleischküche zu lösen und lieber bislang unbekannten Gemüse- und Getreidesorten eine Chance zu geben, etwas mehr Zeit in der Küche zu investieren, und (anders) kochen zu lernen. Das erfordert anfänglich einen Mehraufwand, aber der zahlt sich finanzielle wie kulinarisch auf Dauer wirklich aus.

Für alle, die tatsächlich ein sehr geringes Budget für ihre Ernährung zur Verfügung haben, gibt es darüber hinaus eine ganze Reihe weiterer Möglichkeiten, Geld zu sparen, angefangen beim Einkauf. Eine gute Anlaufstelle für den günstigen Einkauf sind Asialäden und türkische Supermärkte. Hier findet man jede Menge vegane Produkte zu schmalen Preisen, und zwar nicht nur frisches Obst und Gemüse, sondern natürlich auch Hülsenfrüchte, Reis, Nudeln, Sojaprodukte, eingelegtes Gemüse, Trockenfrüchte, Gewürze und vieles andere. Vieles bekommt man hier auch in großen (Spar-)Packungen.

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Einkaufen kann man überall!

Wer sagt denn eigentlich, dass Veganer nur im veganen Supermarkt einkaufen? Veganer können überall dort einkaufen, wo andere auch einkaufen: Im Supermarkt, beim Discounter, im Bioladen, auf dem Wochenmarkt (hier kann man kurz vor Schluss ein paar Schnäppchen machen) usw. Interessant ist auch das Modell einer Food-Coop, wo man sich mit anderen zusammenschließt, um über große Bestellmengen und das Ausschalten des Zwischenhandels Preisvorteile erzielt. Projekte wie „Die Essensretter“ laden ebenfalls zur Mitwirkung ein, um gemeinsam die Lebensmittelverschwendung des Einzelhandels zu reduzieren – unglaubliche Mengen an Lebensmitteln werden täglich einfach weggeworfen, weil die Ware nicht mehr perfekt aussieht. Freiwillige holen solche Ware abends in den Supermärkten ab und verteilen sie weiter – natürlich kostenlos.

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Viele Lebensmittel bekommt man zudem umsonst, wenn man in die Natur zieht und selber pflückt und sammelt, z.B. Pilze und Kräuter, aber auch Äpfel, Birnen, Beeren, Nüsse oder Mirabellen. Mundraub.org verzeichnet solche Fundstellen deutschlandweit, die frei verfügbares Obst bieten. Ein Blick lohnt sich hier in jedem Falle mal. Was macht man, wenn man mit seiner Beute nach Hause kommt, und feststellt, dass diese viel zu groß ist? Einmachen, einlegen, trocknen und dörren, Marmelade oder Apfelsaft herstellen – die DIY-Möglichkeiten sind grenzenlos. Die eigene Herstellung von Hafermilch beispielsweise kostet nur einen Bruchteil vom Ladenpreis. Ähnliches gilt auch für andere Pflanzendrinks, aber auch für Käseersatz oder Saucen und Dressings oder Aufstriche. Auch Kosmetik oder Reinigungsmittel kann man äußerst günstig und einfach selber herstellen. Im Internet findest du eine unerschöpfliche Reihe von Tipps und Anleitungen. Auch selber gärtnern ist eine tolle Sparmöglichkeit und macht richtig Spaß, egal ob im Schrebergarten, auf dem Balkon oder einfach nur auf der Fensterbank.

Beim Kochen Geld sparen

Beim Kochen lässt sich ebenfalls viel Geld sparen. Einerseits natürlich in dem man wie schon erwähnt auf günstige Grundnahrungsmittel setzt statt auf Fertig- und Ersatzprodukte. Konserven und Tiefkühlprodukte schonen zusätzlich den Geldbeutel, und wer große Mengen vorkocht und einfriert, spart zudem Zeit, und wirft weniger weg. Überhaupt gibt es jede Menge ganz einfache („Baukasten“-)Gerichte, die sich hervorragend für die Resteverwertung eignen, z.B. Backofengemüse, Wok-Gerichte, Salate oder Suppen und Eintöpfe. Nicht nur in den Mülltonnen der Supermärkte sondern auch in den Haushalten landet viel zu viel in dem Müll, weil Lebensmittel falsch gelagert werden oder die Menschen nicht wissen, was sie mit den Resten anfangen sollen.

Es gibt noch viel mehr Sparmöglichkeiten als die in diesem Artikel aufgezählten. Das Wichtigste ist wohl, dass man bewusster einkauft und auf die große Vielfalt an günstigen Grundnahrungsmittel setzt, zusätzlich darauf achtet, dass nichts weggeworfen wird. Dann ist eine vegane Ernährung keineswegs teuer oder gar ungesund, sondern unter Umständen sogar ziemlich günstig. Eine gesunde vegane Ernährung kommt auch ohne Ersatzprodukte und teuere Superfoods aus, wichtig ist vor allem viel Abwechslung auf dem Teller. Und zum Schluss noch ein kleiner Appell: Man sollte bei allen Sparmöglichkeiten nicht vergessen, dass die eigene Ernährung das Wichtigste ist, worin man investieren darf. Bevor man also hier spart, sollte man doch mal prüfen, ob das nicht in anderen Bereichen genauso oder gar besser möglich ist.

Diese und viele weitere Tipps zu einer günstigen und trotzdem gesunden Ernährung findest du in „Vegan, aber günstig“, erschienen im Ventil Verlag in der Edition „Kochen ohne Knochen“.

Hinweis: Dieser Artikel erschien erstmalig im Magazin „Kochen ohne Knochen„. Wir durften ihn mit freundlicher Genehmigung hier noch einmal veröffentlichen.