Vegan ist bunt. Vegan ist vielfältig. Vegan ist spannend, von A bis Z. Heute geht es weiter mit der Serie „The Vegan ABC“. In Zukunft werdet ihr alle 14 Tage – jeden zweiten Dienstag – über ein Thema aus der veganen Welt lesen, ob über „B-Vitamine“ bei B, „Genuss“ bei G oder „Zukunft“ bei Z. Viel Spaß!

 

The Vegan ABC: H wie… Haltung

Ich liebe es, Vegan-Blogs zu lesen. Erfahrungsaustausch, Einblick in den veganen Alltag anderer und das 375. Rezept für Hefeschmelz zeigen mir, dass es da draußen viele andere Menschen gibt, die so denken wie ich. Fast noch mehr liebe ich es, Artikel über den Veganismus in den öffentlichen Medien zu entdecken. Berichte über meine bevorzugte Lebens- und Ernährungsweise machen mich stolz – zumindest solche, die sich nicht ständig an der Grenze zum Spott bewegen. Regelrecht süchtig bin ich aber danach, die sich meist zahlreich an den Bericht anschließenden Kommentare zu studieren. Wo sonst werden so viele Menschen mit so wundervollen stereotypen Verhaltensweisen aufeinander losgelassen?

Da gibt es den „bewussten Fleischesser“, der das ja eigentlich alles ganz richtig findet mit dem Veganismus und so, aber dann doch nicht auf sein Salami-Brötchen verzichten kann. Es gibt die „Vegetarierin auf dem Weg zur Veganerin“ und den „vegan-veganer-am vegansten“-Zeitgenossen, der es manchmal schafft, es sich mit allen zu verscherzen und die verfeindeten Lager fast noch zu einen. Am tollsten finde ich den „Ist mir doch egal was ihr hier alle wollt, ich brat‘ mir jetzt erst mal ein Steak“-Typen. Besonders dann, wenn er hinter seinem Kommentar noch einen Smiley hinterlässt.

Ja und dann gibt es noch die Kategorie „Verständnisvoller Veganer“. Dieser versteht sich besonders gut mit dem bewussten Fleischesser und äußerst Dinge wie „Ich bin zwar vegan, finde es aber voll OK, wenn du ab und zu noch Fleisch ist“. Und an dieser Stelle frage ich mich immer:

Warum ist es so schwer für uns als Veganer, Haltung zu bewahren?

Eigentlich haben die meisten von uns eine klare Haltung zur (Tier-)Haltung. Kurz gesagt: Wir halten den Konsum von Produkten tierischen Ursprungs für moralisch nicht vertretbar. Wir halten ihn für falsch. Warum aber ist es nur oft so schwer, zu dieser Haltung zu stehen und diese auch in der Öffentlichkeit konsequent zu vertreten? Warum loben wir den Biofleisch-Konsumenten, anstatt ihm zu sagen: „Mach trotzdem was anders“?

Wenn ich es grundsätzlich für falsch halte, meinen Partner zu betrügen, dann werde ich doch sicher meiner besten Freundin, die ihren Gatten hintergeht, ins Gewissen reden und sie bitten, das Ganze zu überdenken. Oder sage ich ihr: „Ich persönlich finde es zwar nicht richtig fremdzugehen, und würde es auch nicht tun, aber es ist vollkommen OK, wenn du das ab und an tust“…?

Worin liegt der Unterschied?

Ich denke der Unterschied liegt darin, dass die eine Moralvorstellung bereits gesellschaftlicher Konsens ist. Die andere nicht.

Fast jeder Mensch würde mir zustimmen, wenn ich behaupte, dass man seinen Partner nicht hintergeht (mal unabhängig davon, wie viele es trotzdem tun). Unsere Gesellschaft hat sich auf diesen moralischen Grundwert geeinigt. Wenn ich aber sagte, dass es nicht OK ist, ein Lebewesen unter teils grausamen Bedingungen einzusperren, es zu töten und seine Leichenteile im Supermarkt zu verkaufen, würde ich auf wesentlich geringere Zustimmung stoßen.

Natürlich ist es leichter, eine Moralvorstellung zu haben, die auch viele andere teilen. Für diese kann ich eintreten, ohne groß Gegenwind befürchten zu müssen, denn eigentlich weiß auch meine beste Freundin, dass sie besser die Finger von ihrem hübschen Kollegen lassen sollte. Aber viel wichtiger ist es doch, eine Moral zu verteidigen, wenn sie gerade noch keine Grundhaltung der Masse ist. Für den Veganismus zu sprechen und einzustehen bedeutet auch, eine leider noch wenig verbreitete Moralvorstellung in der Gesellschaft zu festigen.

Ich will damit nicht dazu aufrufen, ständig mit dem moralischen Zeigefinger auf andere zu zeigen. Sondern dazu, Haltung zu bewahren. Für die eigenen Moralvorstellungen zu sprechen. Nicht arrogant, sondern selbstbewusst und klar. Denn nur so besteht die Chance, dass der „bewusste Fleischesser“ nicht das bleibt was er ist, sondern seine Haltung überdenkt. Und vielleicht in einiger Zeit zu unseren Fürsprechern gehört.