Gleich vorweg: Ich bin keine Veganerin. Zumindest keine 100%ige.Viele werden jetzt aufschreien. Und ich weiß wieso. Ich kenne die Gründe. Und ich verstehe sie.

Was mache ich hier also? Im Grunde bin ich keine Freundin von Rechtfertigungen. Mein Credo lautet: Jeder soviel wie er oder sie kann und jeder kleine Schritt in die richtige Richtung hilft und ist besser als keiner. Auch bin ich nicht missionarisch veranlagt. Vielmehr versuche ich durch Vorleben meinen Mitmenschen die Augen ein wenig mehr zu öffnen.

Dennoch möchte ich euch ein bisschen über meine ganz persönliche tierleidfreie „Karriere“ berichten, weil ich glaube, dass ich mit meinen Gedanken nicht alleine bin. Zurzeit trifft man in Netz und TV auf viele Menschen die das Ideal vorleben. Und ich erzittere vor Ehrfurcht und Respekt. So wäre ich auch gerne. Ich kenne alle Studien, alle Bilder. Ich habe alle Infos die ich brauche. Aber die Realität sieht manchmal anders aus.

Ich bin seit nun mehr neun Jahren Vegetarierin und habe seitdem nicht ein einziges Mal Fisch oder Fleisch gegessen. Weil ich es so will. Der Ekel, den viele Menschen die sich aus ethischen Gründen fleischlos ernähren entwickeln, fehlt mir. Ich rieche die Baguette-Salami und den Döner und weiß, dass sie mir schmecken würden. Dennoch rühre ich sie nicht an. Punkt.

Mit dem Veganismus ist das für mich leider nicht so einfach. Aus verschiedenen Gründen.

Ich würde mittlerweile von mir behaupten, dass ich zu 70-80% vegan lebe. Meine Kosmetik ist es zu 100%. Im Grunde die einfachste Übung, wenn man sieht wie „in“ vegane Kosmetikprodukte gerade sind und wie viele Firmen ihre Produkte mittlerweile als solche ausweisen.

Lederprodukte kaufe ich nicht mehr. Dennoch trage ich die wenigen, die ich noch besitze. Weil ich nicht einsehe sie wegzuwerfen und damit unnötigen Müll zu produzieren.

Mein Problem ist die Ernährung. Und darüber ärgere ich mich selbst am meisten.

Denn Veganismus bedeutet Verzicht. Egal, was sie alle darüber schreiben. Milch ersetzen? Kein Problem. Sahne ersetzen? Kinderleicht. Käse ersetzen? BÄM. Problem. Zumindest für mich. Ich habe schon vor Jahren gesagt: „An dem Tag, an dem sie einen vernünftigen Käseersatz erfinden, werde ich vegan. Sofort!“ Käse ist mein Fleisch. Und was hat sich die Natur nun für mich ausgedacht, um mich endlich auf den Weg zu bringen? Eine Laktoseintoleranz. Ich habe fast ein bisschen das Gefühl irgendwo sitzt jemand und schreit: „Mensch, wie viele Winks brauchst du noch bis du es verstehst!?“ Im Grunde sollte ich mich freuen und den Kram endlich sein lassen.

Aber da kommt der Wille wieder ins Spiel.

Mein Kühlschrank zuhause ist nahezu tierfrei. Und wird es mit jedem Einkauf ein bisschen mehr, wie ich erfreut feststelle.

Schwieriger wird es auf der Arbeit. Ich arbeite Vollzeit in einer Kindertagestätte und esse dort auch mit den Kindern. Meistens Beilagen. Und wenn es vegetarisches Essen gibt, dann mit viel Käse. Mit vegan brauche ich dort gar nicht anzufangen, schon als Vegetarierin werde ich immer noch als Ausserirdische angesehen. Die Alternative wäre jeden Tag mein eigenes Mittagessen mitzubringen. Das ist a) teuer und b) für mich zeitlich und organisatorisch nicht zu schaffen.

In diesem Punkt bin ich immer noch am Rumtüfteln und Ausprobieren. Und verschlinge vegane Blogs jeglicher Art.

Familie und Freunde sind da noch mal ein ganz eigenes Kapitel, was wahrscheinlich einen eigenen Artikel rechtfertigen würde.

Eine weitere Schwierigkeit ist mein Wohnort. Ich lebe in einem 18.000-Seelen-Ort mit einem Reformhaus und einer Budni- Filiale. Vegetarisch lässt sich da ganz gut umsetzen, vegan wird schon kniffeliger. Die gängigen Alternativen der Discounter schmecken entweder scheußlich oder enthalten Milch- oder Eieiweiß. Ihr könnt euch denken: Onlineshops sind da unverzichtbar. Leider aber auf Dauer auch teuer. Vor allem wenn man nur für eine Person kocht. Ohne Auto zählen Besuche bei den regionalen Biohöfen und Domänen leider auch zu den Ausnahmen.

Da bleibt mir nur weitestgehend auf Ersatzprodukte zu verzichten, möglichst saisonales Obst und Gemüse zu kaufen und mir ab und an eine Bestellung bei den einschlägigen Onlineshops zu gönnen.

Vegan essen zu gehen grenzt hier an ein Ding der Unmöglichkeit. Selbst vegetarisch jenseits der Pizzaria gestaltet sich oft so: Gedünstetes Gemüse in Bechamelsauce mit Käse überbacken. Wie oft habe ich diese Kombination auf der Karte gelesen! Ich bin da schmerzfrei, aber nicht jeder hat den Mumm die Bedienung um eine individuelle Alternative zu bitten. Zumal die Reaktion manchmal nicht gerade freundlich ausfallen kann (Ein befreundeter Kochlehrling erzählte mir mal, dass Köche statt Ostfriesenwitze gerne Witze über Vegetarier machen. Für die Mehrheit scheint unsere Spezies wirklich das personifizierte Grauen zu sein.). Selten stoße ich hier auf motivierte Herren und Damen der Zunft, die meine Wünsche als willkommene Abwechslung und Herausforderung sehen.

Tja, was soll euch das alles nun sagen? Ihr seid nicht allein. Obwohl ich mich selbst als jemanden bezeichnen würde, die sehr genau weiß was sie will, gibt es immer wieder Momente der Schwäche, der Zweifel, der Verzweifelung.

Aber ich mache das Beste draus. Ich fühle mich immer noch ein bisschen als Gast. Ich beobachte, lerne kennen, freue mich über jedes bisschen Veganismus in meinem Leben.

Möglich ist alles. Manche brauchen eine Deadline um sich danach als vegan bezeichnen zu können. Andere brauchen den natürlich gewachsenen Prozess.

Mir ist eine langsame, aber nachhaltige Annäherung an das Thema lieber als jemand der innerhalb von zwei Wochen zum dogmatischen „Hardcore-Veganer“ mutiert und nach zwei Jahren wieder zum Steak greift. Alles schon dagewesen und selbst erlebt.

Lest viel und informiert euch! Ich selbst bin sehr dankbar für Webseiten wie diese hier, denn sie verbinden uns.

Versucht es auch mal. Ihr seid nur euch selbst verpflichtet, egal was andere euch sagen. Meine Oma würde jetzt sagen: „Die kochen auch alle nur mit Wasser!“.

Denn durch euch lebt „die Szene“ und geschehen Veränderungen. Mal kleine, mal große. Und nicht selten beschränken sich diese Veränderungen nicht nur auf den Veganismus. Alle beobachten, fühlen mit, hinterfragen, überdenken,  probieren, verwerfen. Und leben. Und das ist doch das Wichtigste.

Ihr seht: Ich befinde mich auf einer Reise. Manchmal ist sie steinig, manchmal schaffe ich locker 30 km am Tag. Ich würde sie gerne ein Stück mir euch gehen und freue mich auf den Austausch, so kontrovers er auch sein möge;-)